Individuelle Zielvereinbarung im agilen Umfeld

MACHT DIE INDIVIDUELLE ZIELVEREINBARUNG IN EINEM AGILEN UMFELD NOCH SINN?

In meinem letzten Artikel bin ich auf die Frage eingegangen, ob Jour Fixe Termine zwischen Mitarbeiter und Führungskraft in einem agilen Umfeld noch Sinn machen. Daran anknüpfend, stellt sich die Frage, ob denn auch die individuelle Zielvereinbarung in einem agilen Umfeld noch Sinn macht? Dieses Thema empfinde ich als eine Art Eiertanz, da hier viel Konfliktpotential schlummert. Außerdem kann die Führungskraft das Vorgehen, welches wahrscheinlich zentral vorgegeben wird, nur bedingt beeinflussen.

Ich habe eine klare Meinung dazu: Jede individuelle Vereinbarung zwischen Mitarbeiter und Führungskraft kann die Teamdynamik negativ beeinflussen. Daher passt die individuelle Zielvereinbarung aus meiner Sicht nicht zum agilen Umfeld. Die ersten Unternehmen verabschieden sich auch schon davon oder belassen es bei allgemeingültigen Unternehmenszielen. Die anderen Unternehmen hingegen, die eher die Mehrheit ausmachen dürften, brauchen jedoch noch Zeit für den Kulturwandel.

Wie soll die Führungskraft nun damit umgehen, wenn das eigene Unternehmen einen Prozess vorschreibt, der nicht so einfach ausgesetzt werden kann? Persönliche Zielvereinbarungen sind zudem meistens mit dem variablen Gehalt verbunden. Das verstärkt den Effekt des incentivierten und fremdgesteuerten Verhaltens noch zusätzlich, der die Teamdynamik stören könnte. Es müssen daher besonders verträgliche Ziele gesucht werden, um das Konfliktrisiko möglichst gering zu halten. Ich habe folgende drei Alternativen zur Gestaltung der individuellen Zielvereinbarung schon selbst in der agilen Softwareentwicklung erprobt:

1. Teamziele festlegen

Auch, wenn für jeden Mitarbeiter eine individuelle Zielvereinbarung gemäß dem Prozess festgelegt werden muss, spricht erst einmal nichts dagegen mehreren Teammitgliedern das gleiche “individuelle” Ziel zu geben. Wenn also alle das gleiche Ziel verfolgen, sagen wir z.B. die Verbesserung der Testabdeckung, entspricht es einem gemeinsamen Team-/Abteilungsziel. Wichtig hierbei ist allerdings keine Ziele festzulegen, die konträr zur Produktvision stehen oder die Priorisierung beeinflussen könnten.

2. Individuelle Ziele zur Förderung der Teamarbeit

Etwas heikler sind individuelle Ziele zur Förderung der Teamarbeit, wie z.B. mithilfe einer Schulung das Wissen stärker im Team zu verteilen. Das hört sich erst einmal nach einer guten Idee an, könnte aber auch in ähnlicher Form selbständig im Team beschlossen werden. Hierdurch wird die Selbstorganisation also doch beeinträchtigt. Die Auswirkung der individuellen Zielvereinbarung muss daher gut überdacht sein und sollte mit dem Scrum Master am besten schon vorab besprochen werden.

3. Aufgaben aus dem Backlog

Die Versuchung ist relativ groß eine bereits bekannte Aufgabe aus dem Backlog als individuelles Ziel zu bestimmen. Sagen wir z.B. eine schon lange aufgeschobene Toolevaluierung wieder aufzugreifen. Defacto kommt dies aber einer Priorisierung gleich. Diese sollte aber vom Product Owner vorgenommen werden und jederzeit wieder durch diesen geändert werden können. Die Zielvereinbarung hingegen, kann allerdings nur durch die Führungskraft angepasst werden. Daher sehe ich diese Option als problematisch an.

Wenn die Führungskraft noch an einen individuellen Zielvereinbarungsprozess gebunden ist, würde ich empfehlen die bei Option 1 beschriebenen Teamziele festzulegen. Dadurch kann bei der Bewertung sowohl die individuelle Leistung, als auch die Teamleistung honoriert werden. Meiner Erfahrung nach lässt sich dieses Vorgehen am ehesten noch mit dem agilen Vorgehen vereinbaren, da hierbei der Teamerfolg im Vordergrund steht.

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